Wie eine Feedback-Kultur eine positive und effektive Lernumgebung schafft (German)
Wie kompetenzbasierte Bildung das ökonomische Dilemma der Spitäler löst
Ein kürzlich ausgestrahlter Beitrag des SRF-Magazins "Kassensturz" legt eine zentrale Schwachstelle der medizinischen Weiterbildung offen: das wachsende Dilemma zwischen dem ökonomischen Druck auf Spitäler und dem Anspruch an eine exzellente praktische Ausbildung für den chirurgischen Nachwuchs.
Der Beitrag zeichnet ein besorgniserregendes Bild: Assistenzärztinnen und -ärzte verbringen einen Grossteil ihrer Zeit mit administrativen Aufgaben, während die essenzielle Zeit im Operationssaal – das Erlernen des Handwerks – zu kurz kommt. Für Spitäler ist dies eine Zwickmühle: Sie sind auf die Arbeitskraft der Assistenzärzte angewiesen, doch eine qualitativ hochstehende Ausbildung im OP ist zeit- und kostenintensiv.
Dieses System führt zu einer kritischen Ineffizienz.
Doch es gibt einen bewährten Weg aus diesem Dilemma: ein fundamentaler Paradigmenwechsel hin zur kompetenzbasierten medizinischen Bildung (CBME).
Das Problem: Zahlenbasierte chirurgische Weiterbildung ist ineffizient
Das traditionelle Modell basiert primär auf Zeit und Quantität. Operationskataloge, die eine bestimmte Anzahl an Eingriffen vorschreiben, sind das zentrale Messinstrument für Kompetenz.
Dieses System hat einen entscheidenden Nachteil:
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Es misst nicht die tatsächliche Kompetenz: Ein voller OP-Katalog garantiert nicht, dass ein Arzt oder eine Ärztin eine Tätigkeit wirklich selbstständig und sicher durchführen kann.
Die Lösung: Von Anzahl Operationen zu "Anvertraubarkeit"
Die kompetenzbasierte Bildung stellt eine einfache, aber transformative Frage: Nicht "Wie lange war jemand anwesend?" oder "Wie oft hat jemand etwas gemacht?", sondern "Kann diesem Lernenden eine bestimmte Tätigkeit wirklich zur selbstständigen Ausführung anvertraut werden?".
Das Kernstück dieses Ansatzes sind die Entrustable Professional Activities (EPAs).
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Was ist eine EPA? Eine EPA ist eine klar definierte berufliche Tätigkeit (z.B. "eine Leistenbruch-Operation durchführen"), die einem Lernenden schrittweise anvertraut wird, sobald er die nötige Kompetenz gezeigt hat.
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Der Fokus: Anstelle von reinem Zählen von OP-Zahlen wird der Grad der Praxisreife zum entscheidenden Kriterium für den Fortschritt. Dieser wird laufend dokumentiert durch häufige arbeitsplatzbasierte Beurteilungen und sinnvollen kurzen Feedbackgesprächen.
Wie EPAs das ökonomische Dilemma lösen
Die Umstellung auf CBME und EPAs ist nicht nur ein pädagogischer Fortschritt, sondern auch eine strategische Antwort auf den ökonomischen Druck.
- Effiziente Allokation von Ressourcen
Indem die tatsächliche Anvertraubarkeit bzw. Selbstständigkeit jedes Lernenden präzise dokumentiert wird, kann die Supervision gezielt dort eingesetzt werden, wo sie wirklich nötig ist. Die wertvolle Zeit von erfahrenen Oberärzten wird nicht mehr für die Überwachung von bereits beherrschten Tätigkeiten aufgewendet. Im Gegenteil: Ein Trainee soll diese Tätigkeitent dann auch ausführen dürfen, was sehr motivierend ist und erst noch das Team entlastet. - Flexible und nachweislich kosteneffizientere Ausbildungswege
Die Erfahrung aus den Niederlanden belegt das Einsparpotenzial eindrücklich. Konfrontiert mit einer geplanten Budgetkürzung, reformierte das Land seine Facharztausbildung konsequent nach CBME-Prinzipien.
Das Resultat: Die durchschnittliche Ausbildungsdauer verkürzte sich um rund drei Monate. (Quelle). Dies führte hochgerechnet zu jährlichen Einsparungen von 25 bis 30 Millionen Euro – bei gleichbleibend hoher Ausbildungsqualität.
Fazit: Ein strategischer Weg in die Zukunft
Der Kassensturz-Beitrag hat die Symptome eines veralteten Systems aufgezeigt. Die Lösung liegt nicht darin, mehr Geld in ineffiziente Strukturen zu pumpen, sondern das System selbst zu modernisieren.
Kompetenzbasierte Bildung mit EPAs bietet den strategischen Hebel, um das Dilemma zwischen Ausbildungsqualität und ökonomischer Realität aufzulösen.
Sie macht Kompetenz, fördert eine effiziente Nutzung von Ressourcen und stellt sicher, dass die Fachärzte von morgen nicht nur formal qualifiziert, sondern nachweislich bereit für die Praxis sind.

Autor: prepared team
19.09.2025 22:18:16
19.09.2025 22:18:16