CBME Blog

Weshalb das Zählen von Prozeduren nicht mehr funktioniert – und was die moderne Facharztausbildung stattdessen braucht

Geschrieben von Dr. Lukas Kandler | 26. September 2025

Die Illusion von Sicherheit in der Weiterbildung

Viele kennen die Hakenlisten, die während der Facharzt-Weiterbildung abgearbeitet werden: Nachweise für Intubationen, zentrale Venenkatheter (ZVK) oder transösophageale Echokardiographien (TEE) suggerieren, dass das reine Zählen von Prozeduren Sicherheit schafft und Transparenz in der Ausbildung garantiert.

Diese Praxis wirkt routiniert, führt aber nicht zuverlässig dazu, dass Trainees bestimmte Tätigkeiten tatsächlich selbstständig und kompetent ausführen können.

Der Denkfehler beim Prozeduren-Zählen

Die kritische Schwachstelle: Wenn Dokumentation zur Pflichtübung wird, verliert das System an Aussagekraft. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zeigte mit einer Analyse, dass pro Jahr mehr Interventionen dokumentiert wurden, als es Patientinnen und Patienten überhaupt gab.

Diese „Fake-Zahlen“ finden sich auch in anderen Bereichen — etwa wenn mehrere Personen im OP-Bericht stehen, ohne tatsächlich beteiligt zu sein.

Die Folge: Das reine Zählen von Fällen oder Jahren bildet Expertise nicht korrekt ab und fördert ungenaue oder sogar erzwungene Dokumentation.

Paradigmenwechsel: Kompetenzbasierte Ausbildung mit EPAs

Statt Quantität zählt heute die Qualität. Die kompetenzbasierte medizinische Ausbildung (CBME) setzt auf arbeitsplatzbasierte Assessments (AbA) und sogenannte Entrustable Professional Activities (EPAs). Eine EPA beschreibt eine berufliche Tätigkeit, die erst nach Erreichen eines bestimmten Supervisionslevels durch die oder den Trainee selbstständig ausgeführt wird.

Kompetenz entsteht im Zusammenspiel von Wissen, Fertigkeit und Haltung. Daher ersetzen kontinuierliche, dem Alltag entnommene Beurteilungen das einmalige „Highstakes Examen“ am Ende der Weiterbildung. Über die Jahre entsteht so ein aussagekräftiges Kompetenzprofil.

Wie preparedEPA die Objektivität erhöht

preparedEPA bietet direkt im Alltag arbeitsplatzbasierte Assessments statt starre Checklisten. Im Zentrum steht die realitätsnahe Einschätzung, welches Supervisionslevel für eine EPA erforderlich ist — nicht „richtig“ oder „falsch“, sondern wie viel Unterstützung jemand noch braucht.

Zwei Elemente machen dies besonders objektiv und kontextgerecht:

  • Unterscheidung zwischen einfach und komplex: Die App dokumentiert, ob eine Tätigkeit (z.B. Infusion legen) im jeweiligen Fall einfach oder komplex war — bewertet sowohl durch Trainee als auch Supervisor.

  • Direkte Beobachtung vor Ort: Die Supervision erfolgt am Ort des Geschehens; eine Bewertung Wochen später ist nicht zulässig oder sinnvoll. Mehrere Masterarbeiten aus den USA und Kanada haben sich ganz aktuell diesem Thema gewidmet und aufgezeigt, dass dort im Schnitt 31 Tage zwischen klinischen Ereignis und der Beurteilung vergehen. Das darf nicht sein!
    Die verwendete Skala bei der Beobachtung am Arbeitsplatz ist nicht gut- oder falsch, sondern wieviel Supervision braucht der Trainee. Hiermit erreichen wir eine viel subjektivere und faire Beurteilung der Trainees.

Fazit: Kompetenzen sichtbar machen statt Listen abhaken

Wer sich vom Zählen löst und stattdessen auf kontinuierliche, kompetenzbasierte Beurteilung (EPA-basiert) setzt, erhält ein ganzheitliches und glaubwürdiges Kompetenzprofil. Länder wie Holland verzichten bereits auf die klassische Facharztprüfung zugunsten von curricular erfüllten EPAs.

Der Weg in die moderne Facharztweiterbildung ist nicht, auf den perfekten Katalog zu warten, sondern mit kontinuierlicher Beurteilung und aktiver Feedback-Kultur zu beginnen.